Lösungsorientierter Ansatz: 9 Tipps für die Patienten-Sprechstunde

Für Ärzte ein tägliches Dilemma: Im Rahmen der Sprechstunde bleibt ihnen nur ein kleines Zeitfenster, um eine gezielte Anamnese zu erheben und Diagnose und Therapie verständlich und geduldig dem Patienten zu erläutern. Mit diesen 9 Tipps sparen Sie Zeit, Kosten und Nerven.

 

 

 

 

Die ärztliche Konsultation umfasst Beziehungsaufbau, Sachinformationen, Entscheidungshilfe, Ratschlag und Aufklärungspflicht. Und das alles im engen Korsett wirtschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen.

 

Für dieses Spannungsfeld bietet der aus dem Kurzzeit-Coaching stammende «lösungsorientierte Ansatz» ein sehr nützliches Tool für den Sprechstunden-Alltag: Durch die konsequente Ausrichtung auf die Erwartung des Patienten und das Ziel (die Lösung), kann dem Patienten schneller und effizienter geholfen werden. Und auch Ärzte profitieren von dieser Methode: Sie sparen Zeit, Kosten und somit Energie. 

 

9 Tipps für den Sprechstunden-Alltag

 

Die folgenden Tipps und Fragetechniken wurden von Dr. med. Sabine Werner, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie und lösungsorientierter Kurzzeit-Coach im Laufe von mehr als 20 Jahren Berufsjahren gesammelt, für die Sprechstunde adaptiert und weiterentwickelt.

 

1.      Keine Erwartungen haben, keine Vorannahmen treffen!
Lösen Sie sich davon «schon zu wissen», was der Patient will. Fragen Sie einfach nach, um was es ihm/ihr wirklich geht (auch bei Zuweisungen) – immer!

 

2.      Zielklärung und Behandlungsauftrag: die Eröffnungsfrage
Folgende Eröffnungsfragen haben sich aus Sicht von Dr. Werner bewährt: «Was erwarten Sie von der heutigen Konsultation bei mir?» … «
Und was noch?» oder «Was muss heute in dieser Konsultation geschehen, damit sich der Besuch für Sie gelohnt hat?».

 

3.      Nachhaken, präzisieren, konkretisieren
Es lohnt sich, die Frage bzw. den Auftrag des Patienten in eigenen Worten nochmals zu wiederholen, also zu paraphrasieren, z.B.: «
Verstehe ich Sie richtig, dass…»
«Was genau davon beeinträchtigt Sie am meisten?»
«Was genau besorgt sie?»
«Was ist Ihre grösste Hoffnung?

 

4.      Skala-Fragen anwenden
Nicht immer schätzen wir den subjektiven Leidensdruck unserer Patienten richtig ein. Hier bieten sich Skala-Fragen an: «Angenommen, 1 heisst minimale Beschwerden und 10 maximal vorstellbare Beschwerden, wo auf der Skala von 1-10 würden Sie Ihre Beschwerden einordnen?» (Skala aufzeichnen und vom Patienten markieren lassen; bei Kindern hat sich eine semi-quantitative „Smiley-Skala“ z.B.  bewährt)
«Was war bisher das Beste/das Schlechteste auf der Skala?»
«Wodurch wird es einen Schritt besser/schlechter?»

 

5.      Ressourcen des Patienten eruieren - bisherige Lösungsversuche wertschätzen
Behandlungsvorschläge fruchten nur dann, wenn diese zum Alltag und Leben des Patienten passen. Wenn also eine Therapie nicht wie erwartet gewirkt hat, fragen Sie nach: «Wie haben Sie die Behandlung genau durchgeführt?» «Was hätte anders sein müssen, damit Sie die Behandlung wie verordnet gemacht hätten?»
«Ich kann verstehen, dass …»
«ich bin beeindruckt, was Sie schon alles unternommen haben, damit…»

 

6.      Patienten auf die Lösungsebene begleiten und Motivation fördern
Nur ein gemeinsam definiertes Ziel übt Anziehungskraft aus und motiviert den Patienten. Diesen Effekt können Sie wirkungsvoll verstärken, in dem Sie so sprechen, als wäre das Ziel bereits erreicht und dadurch den für den Patienten passenden Weg mit ihm konstruieren: «Angenommen Sie hätten das Ziel (z.B. Gewichtsabnahme) schon erreicht, wie würde sich das in Ihrem Befinden (im Alltag, in sozialen Beziehungen) bemerkbar machen? Und wie noch?»

 

7.      Weiterführende Fragen für ein strukturiertes Gespräch
 «Was sollte ich Sie Ihres Erachtens noch fragen, um Ihnen gut helfen zu können?»
«Was ist aus Ihrer Sicht in diesem Zusammenhang noch wichtig?»
«Sind Sie dann einverstanden, dass…?»

 

8.      Überlange Konsultationen vermeiden
Jeder Arzt kennt Patienten, die ihr Anliegen ausführlich schildern, um am Ende der Konsultation zu sagen: «Aber eigentlich komme ich wegen etwas ganz anderem…» Vermeiden Sie diese Zeitfalle, in dem Sie gleich nach der Schilderung des ersten Anliegens fragen: «Gibt es noch etwas, das Sie heute besprechen oder untersuchen lassen möchten?»
Wenn nein: wunderbar, dann hat der Patient bestätigt, dass er/sie heute alles vorbringen konnte, was er/sie wollte. Wenn ja: dann bitten Sie Ihren Patienten kurz alle noch offenen Punkte zu nennen. Anschliessend können Sie folgendes vorschlagen: «Wir haben heute ja xx Minuten für die Konsultation eingeplant, falls die Zeit nicht für alle Ihre Anliegen reichen sollte, was wäre Ihnen am wichtigsten?» oder
«Wie ich sehe, gibt es weitere Anliegen, die für Sie wichtig sind. Darum würde ich gerne noch einen weiteren Termin einplanen.»

 

9.      Viele Informationen in kurzer Zeit erhalten: Interview führen
Um in kurzer Zeit möglichst viele Informationen strukturiert einzuholen, führen Sie mit Ihrem Patienten einfach ein «Kurz-Interview» durch. Stellen Sie hierfür z.B. folgende Fragen: „Gerne würde ich mit Ihnen jetzt ein kurzes Interview führen, um Risikofaktoren für Hautkrebs abzuklären. Das ist wichtig, damit nichts vergessen geht. Sind Sie einverstanden? Also, dann kommt jetzt Frage 1…, Frage 2… usw. Besten Dank. Das bringt uns jetzt einen grossen Schritt weiter.“
Dieses etwas sportliche Vorgehen hat sich als sehr nützlich erwiesen, eine Vielzahl von benötigten Informationen effizient und zeitsparend zu erhalten.

 

 

 

Dieser Text ist ein von der Autorin gekürzter und für coliquio überarbeiteter Auszug des Buchs: Lösungsorientierte Arzt-Patienten-Kommunikation: Wie Du schon ab morgen Zeit und Nerven sparst und zufriedene Patienten gewinnst (Praxis-Wissen to go 1) von Dr. med. Sabine Werner. Herausgegeben von W&W Beratungskontor AG (www.beratungskontor.ch). Copyright © 2018.

(publiziert am 21. August 2019 auf www.coliquio.de)